Lieber Bytespeicher, wir müssen reden.
Wenn jemand sexistische Bemerkungen macht, sich Menschen mit einem
vermeintlich geringerem Wissensschatz gegenüber abfällig verhält oder
verspottet, ist das mies.
Wenn solche Situationen angesprochen werden und es wird sich über die
ernsthafte Kritik nur lustig gemacht à la "Hab dich nicht so" und "War
doch nur ein Spaß", macht mich das wütend.
Wenn nun auch noch bewusst persönlich verletzende Äußerungen gegenüber
Einzelpersonen abgegeben werden, bin ich verzweifelt. Denn mit diesem
Ziel haben wir unseren Verein 2013 nicht gegründet.
Es haben mehrfach Menschen geäußert, dass sie sich im Raum nicht
wohlfühlen, dass sie in Zukunft nicht mehr kommen wollen oder dass sie
sich nicht mehr im Verein engagieren möchten. Stephan hat es liebevoll
als Häufung "sozialer Merkwürdigkeiten" betitelt. Und Andrea hat einen
ganz wunderbaren Beitrag dazu verfasst:
http://andreak.es/2016/04/17/das-mit-der-diversitat/
Es scheint im Bytespeicher mittlerweile Normalität geworden zu sein,
dass solches Verhalten wie eingangs beschrieben als Ironie, "Trollen"
und Satire verteidigt und infolgedessen akzeptiert wird. (Seit wann
tritt Satire eigentlich nach unten?)
Richtig absurd wurde es, als mir persönlich unterstellt wurde, ich würde
den Raum schädigen und öffentlich in den Dreck ziehen wollen, alles
infolge einer neutralen Äußerung nach dem Wunsch eines Hackspaces ohne
(aus meiner Perspektive) inakzeptables Verhalten. Die Diskussion sei
"peinlich" und hätte keinen Zweck. Es wäre zu anstrengend, sich
rücksichtsvoll zu verhalten und man könne das ja wohl nicht ernsthaft
von allen Gestaltenden erwarten.
Das ist der Punkt, an dem mir die aktuelle Auseinandersetzung absolut
nicht mehr als zielführend erscheint, an dem ich meine Person als
Feindbild im Fokus einer unsachlich geführten Debatte sehe, die
schlussendlich mit mir überhaupt nichts zu tun hat. Wie Andrea schon
richtig festgestellt hat, geht es letztlich weder um persönliche
Differenzen noch um das Aufzählen und Anprangern vorgeblicher
Einzelfälle. Im Kern geht es um den Umgang mit Kritik. Und wer in einer
Diskussion um ein berechtigten Anliegen als allererstes entgegnet, man
solle "sich selbst und andere weniger wichtig nehmen", der hat meines
Erachtens nach bereits klar genug deutlich gemacht, an einem echten
Diskurs überhaupt nicht interessiert zu sein.
Aus diesen Gründen und vor allem wegen der persönlichen Angriffe gegen
mich beendige ich hiermit meine Mitgliedschaft im Verein zur Förderung
von Technikkultur in Erfurt e. V. zum 19. April 2016 und lege damit
entsprechend der Vereinssatzung auch mein Vorstandsamt nieder.
Der Hackspace wird nicht kaputtgehen – es wird sich nun lediglich
entscheiden, ob der Bytespeicher auch in Zukunft als offener,
einladender Ort für alle Menschen besteht, oder ob wie sich bereits
abzeichnet ein geschlossener Klüngelverein aus männlichen Nerds, die
lieber unter sich bleiben und sexistische Witze reißen, zurückbleibt.
Ein Begegnungsort für technikbegeisterte Menschen schaffen, der
vorhandene Strukturen kritisch hinterfragt, der Austausch zwischen
Menschen unterschiedlicher Herkunft und Interessen schafft und den
persönlichen Horizont der Teilnehmenden erweitert, das war bei der
Gründung unseres Vereins vor drei Jahren unser Ziel. Und ich finde
Erfurt braucht einen solchen Ort. Umso bedauerlicher wäre es, wenn allen
Menschen, die nicht dem Rollenverständnis der Raumgestaltenden
entsprechen, ein solcher Ort auf Dauer nicht einladend und angenehm
erscheint, weil ein paar Leute sich vielleicht einfach zu bequem sind,
ihr eigenes Verhalten mal zu überdenken.
Mich seid ihr damit erst mal los, denn für mich das Ziel des Betriebs
eines Ortes des Austauschs auf Augenhöhe im Sinne der Gleichberechtigung
aller Beteiligten aufgrund von rücksichtslosem Verhalten ganz klar
verfehlt. Nichtsdestotrotz möchte ich euch für die zurückliegende Zeit
und die schönen Momente und Veranstaltungen danken, denn es gibt vieles,
was ich in guter Erinnerung behalten werde.
Ganz besonders möchte ich mich bei den Menschen bedanken, die sich aktiv
gegen diskriminierendes Verhalten eingesetzt haben und vermittelt haben.
Auch möchte ich all jenen danken, die trotz einer vielleicht
unangemessenen Bemerkung zugehört und Einsicht gezeigt haben.
Ich wünsche euch auf eurem weiteren Weg und für die Zukunft alles Gute.
Viele Grüße
Marvin